Kanton Léman

Gebiet

Der Kanton Léman entstand aus dem ehemaligen bernischen Untertanengebiet der Waadt. Ausnahmen waren die Distrikte Avenches und Payerne, die bis am 16. Oktober 1802 Freiburg angegliedert waren. Hauptort war Lausanne. Gemäss der Distriktseinteilung vom 17. Juni 1798 bestand der Kanton aus den 17 Distrikten Nyon, Aubonne, Rolle, Morges, Lausanne, La-Vaud, Vevey, Aigle, Pays d’Enhaut, Oron, Moudon, Yverdon, Grandson, Orbe, Vallée du Lac-de-Joux, Cossonay und Echallens.[1]

Im Detail andere Grenzen ergaben sich zum Kanton Freiburg dadurch, dass mehrere Enklaven aufgehoben wurden. Die Karten helvetischer Gebietsstände zeigen den Grenzverlauf zwischen den Kantonen Freiburg und Léman südöstlich von Yverdon unterschiedlich. Dort bestand gemäss der helvetischen Gebietsaufteilung nicht zwei respektive keine, sondern nur eine einzige freiburgische Enklave. Die Gemeinde Sassel gehörte gemäss der Liste der Distrikte und Gemeinden zum Kanton Freiburg.[2] Diese Situation wird durch Mallets «Carte de Suisse» von 1798 bestätigt, die dann allerdings die tatsächlich noch bestehende Enklave von Vuissens nicht zeigt. In gewisser Weise wird aber auch Mallets Aufnahme bestätigt, indem die Strasse von Vuissens tatsächlich in der Klassifikation des Kantons Léman aufgeführt war. Es besteht also die Möglichkeit, dass es sich hier um eine der zahlreichen Widersprüchlichkeiten der helvetischen Raumaufteilung handelte.

Ausschnitt aus der «Carte de Suisse suivant sa nouvelle division en XVIII Cantons formant la République Helvétique» von Mallet 1798 (oben) und der im Projekt rekonstruierte Grenzverlauf zwischen den Kantonen Freiburg und Léman. Die südöstliche Grenze von Sassel ist anhand der im Topographischen Atlas, Blatt 340, gezeigten Gemeindegrenzen rekonstruiert. (GIS HSE 2018, Kartengrundlage Dufourkarte, 2. Auflage)

Quellen

Die Einsendungen aus der Waadt zeichnen sich durch besonderen technischen und infrastrukturpolitischen Sachverstand aus. Im Zusammenhang mit den verschiedenen Umfragen sind aus dem Kanton Waadt folgende im Projekt transkribierte Dokumente überliefert:

  • Brückentabelle vom 25. Juni 1799; Verfasser Abram-Henri Exchaquet[3]
  • Antwort vom 11. Oktober 1800 auf die Vernehmlassung des Kriegsministers vom 15. September 1800 bezüglich einer Neuordnung des Strassenwesens[4]
  • Klassifikation der Strassen vom 23. Oktober 1800, Antwort auf die Umfrage vom 18. Oktober 1800, Verfasser Abram-Henri Exchaquet[5]
  • Rückmeldung des Kriegsministers vom 9. November 1800 auf die am 23. Oktober 1800 eingegangene Klassifikation[6]
  • Zweite Rückmeldung aus dem Kriegsministerium vom 21. Dezember 1800[7]
  • Antwort vom 3. April 1801 auf die Umfrage zum Strassenwesen vom 15. Februar 1801; Verfasser Abram-Henri Exchaquet [8]
  • Schreiben aus dem Kriegsministerium vom 26. Mai 1801[9]
  • Zweite Strassenklassifikation vom 6. Juni 1801; Verfasser Abram-Henri Exchaquet[10]

Im Weiteren sind in den Beständen der dritten Abteilung des Kriegsministeriums diverse Karten und Pläne überliefert, die den Kanton Léman zeigen:

Das Strassennetz des Kantons Waadt gemäss Klassifikation von Ende 1800

In der Umfrage des Kriegsministers vom 18. Oktober 1800, im Gesetz vom 22. Oktober 1800 und in folgenden Präzisierungen des Kriegsministers wurde kurz erläutert, was die verschiedenen Klassen auszeichnete:

1. Klasse
Hauptstrassen, die durch Transport grosser Lasten, durch Diligencen und allgemein grosse Frequenzen am meisten mitgenommen werden.

2. Klasse
Strassen, die durch Fuhrwerke des Handelsverkehrs weniger mitgenommen werden, die aber dennoch zu den grossen Strassen gerechnet werden.

3. Klasse
Kommunikationswege, die von den grossen Strassen aus ins Landesinnere führen oder die Regionen untereinander verbinden.

4. Klasse
Gemeindeverbindungen.

Zur Klasseneinteilung siehe auch «Strassenklassen».

Das Strassennetz des Kantons Waadt nach der Klassifikation vom 23. Oktober 1800. Für die Mehrzahl der Strassen der vierten Klasse gab die Klassifikation vom 23. Oktober 1800 nur die Gemeinde an, durch die sie führten, nicht aber die Anfangs- und Endpunkte. Wir haben sie anhand von historischen Karten und Plänen identifiziert. Nicht in allen Fällen ist deren konkreter Verlauf jedoch gesichert (siehe Bemerkung unten; Karte GIS HSE 2018; Relief Imhof 1982).

Die Klassifikation vom 23. Oktober 1800 zeichnete sich durch eine stark regionale Sicht aus: auch regionale Hauptverbindungen wurden als erstklassige Strassen eingestuft. Die erste Rückmeldung aus dem Kriegsministerium forderte die kantonale Verwaltungskammer auf, im Sinne einer helvetischen Logik darauf zurückzukommen und wirklich nur die wichtigsten und am stärksten befahrenen Strassen in der ersten Klasse zu belassen. Dazu enthielt die Rückmeldung konkrete Vorgaben. Entsprechend wurden auch mehrere Strassen aus der zweiten in die dritte, respektive von der dritten in die vierte Klasse verschoben. Daraus resultierte ein nicht in jeder Hinsicht konsistentes, über die Grenzen hinaus einheitliches Netz. So war beispielsweise Fortsetzung der Strasse von Vevey nach Châtel-Saint-Denis und Freiburg auf dem Gebiet des Kantons Freiburg gemäss einer Rückmeldung des Kriegsministers an die dortige Verwaltungskammer nur zweitklassig.

Das Strassennetz nach der Rückmeldung des Kriegsministers vom 9. November 1800. (GIS HSE 2018; Relief Imhof 1982)

Alle klassifizierten Strassen waren fahrbar, die erste und die zweite Klasse mit Kutschen und schweren Fuhrwerken. Bei letzteren handelte es sich in der Regel um Zweispänner mit einem Gewicht von zwei bis zweieinhalb und in der Zeit der Helvetik bis drei Tonnen, Fracht inklusive Wagengewicht.[16] Die dritt- und viertklassigen Strassen waren mit leichteren Karren und Wagen befahrbar.

Zweifellos gründeten die im Kanton Waadt etablierte Strassenverwaltung und der vergleichsweise gute Zustand des Hauptstrassennetzes noch auf der hochstehenden bernischen Strassenverwaltung des Ancien Régime (vgl. dazu das Kantonsdossier Bern). Es ist bemerkenswert, dass sich die Kontinuität des bernischen Strassenbaus in die helvetische Zeit in personeller Hinsicht im bemerkenswert starkem Masse über die ehemaligen Untertanengebiete der Waadt ergab. Zwei der wichtigsten Protagonisten des helvetischen Infrastrukturbaus kamen aus der Waadt: Jean Samuel Guisan war Chef der Abteilung «Génie, Ponts et Chaussées» der helvetischen Zentralverwaltung, während Abram-Henri Exchaquet zunächst Kantonsingenieur war. Er wurde nach Guisans Tod im Sommer 1801 dessen Nachfolger in der Zentralverwaltung. Beide haben massgebliche Werke zum Strassenbau publiziert.

Bemerkung zur Identifikation der Strassen vierter Klasse im GIS[17]

Bei Wegbezeichnungen, die weder den Anfangs- noch den Endpunkt enthalten – zum Beispiel «Chemin de Daillens» – gingen wir davon aus, dass der Weg im Sinne der Klassifizierungsdefinition Gemeinden verbindet, und identifizierten die Verbindung mit den Karten von Mallet, Huber, Woerl etc. Im GIS kennzeichnen wir diese Fälle als nachgewiesene, aber nicht genau lokalisierbare Verbindung.

Literatur

Babaiantz, Christophe. L’organisation bernoise des transports en pays romand (XVIIIe siècle), Lausanne 1961.

Bissegger, Paul. Du «Grand Voyeur» à l’ingénieur. L’administration des ponts et chaussées en Pays de Vaud sous l’Ancien Régime, in: Bissegger, Paul; Fontannaz, Monique (dir.). Des pierres et des hommes. Bibliothèque Vaudoise 109, Lausanne 1995, 523–549.

Dewarrat, Jean-Pierre; Margairaz, Laurence. Le pays de Vaud bernois: lieu de passages, in: Flouck François et al. (dir.). De l’Ours à la Cocarde. Régime bernois et révolution en pays de Vaud (1536–1798), Lausanne 1798, 45–57.

Jean-François Tiercy. Les routes vaudoises de 1803 à 1836. Mémoire de license, Université de Lausanne 1978.

 

[1] ASHR 2, Nr. 47, 248ff.

[2] CH-BAR#B0#1000/1483#3168-04#1, 211–227 [PDF 1-32].

[3] CH-BAR#B0#1000/1483#3174#1, fol. 62-66 [PDF-S. 88-95].

[4] CH-BAR#B0#1000/1483#3168-01#1, fol. 58–66 [PDF-S. 103-118]. Bereits in diesem Dokument findet sich eine Klassifizierung der Hauptstrassen in zwei Klassen.

[5] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 161-167 [PDF-S. 297-308].

[6] CH-BAR#B0#1000/1483#2813#1, p. 153-154 [PDF-S. 156-157].

[7] CH-BAR#B0#1000/1483#2813#1, p. 177-178 [PDF-S. 180-181].

[8] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 52-61 [PDF-S. 89-106].

[9] CH-BAR#B0#1000/1483#2814#1, p. 129 [PDF-S. 131].

[10] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 168-172 [PDF 309-319].

[11] CH-BAR#B0#1000/1483#3173-01#1, fol. 6–23 [PDF 10–28]

[12] CH-BAR#B0#1000/1483#3182#1_0001-0005.

[13] CH-BAR#B0#1000/1483#3183#1_0004.

[14] CH-BAR#B0#1000/1483#3186#1_0025.

[15] CH-BAR#B0#1000/1483#3186#1_0026.

[16] Über die höchstzulässigen Gewichte vgl. Frey 1932, 56ff.

[17] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 161-167 [PDF 297-308].