Kanton Bern

Quellen

Bei der Amtskorrespondenz zwischen der Zentralverwaltung respektive dem Kriegsministerium und den bernischen Kantonsbehörden handelte es sich um den dichtesten Schriftverkehr aller Kantone. Das geht aus den nach Kantonen gegliederten Registern der Missivenbücher, das heisst jener Bücher hervor, in denen die Inhalte der abgehenden Schreiben im chronologischen Nacheinander festgehalten und die nummerierten Eingänge verzeichnet wurden (siehe dazu «Schriftlichkeit als Verwaltungsprinzip»).[1] In den Antworten aus dem Kanton Bern wird ein bereits routiniertes Verwaltungshandeln sichtbar. Die Aufträge wurden in der gesetzten Frist und in der gewünschten Form erledigt und sie waren relativ präzise.

Im Zusammenhang mit den verschiedenen Umfragen sind aus dem Kanton Bern folgende im Projekt transkribierte Dokumente überliefert:

Im Weiteren sind Berichte, Instruktionen, Tabellen und Karten zur Strassenverwaltung überliefert. In den Beständen der Division III des Kriegsministeriums finden sich folgende Karten, Kartenfragmente und Pläne, die den Kanton Bern zeigen:

Dokumentation des Gebietsstandes

Die Grenzen des Kantons Bern haben sich im Vergleich zur Situation im Ancien Régime sehr stark verändert. Das Oberland sowie die bisherigen Untertanengebiete Waadt und Aargau wurden abgetrennt undaus diesen je eigene Kantone gebildet. Murten kam zum Kanton Freiburg und das Schwarzenburgische, das bisher eine gemeinsame Vogtei der Städte Bern und Freiburg war, zu Bern.[13]

Der helvetische Grenzverlauf zwischen den Kantonen Oberland und Bern wurde bisher generalisiert und ungenau dargestellt. Unsere Grundlagen und die Dissertation von Ernst Jörin[14] ergeben hier ein differenzierteres Bild. Der im Projekt rekonstruierte Grenzverlauf zwischen den Kantonen Bern und Oberland weicht in wichtigen Details von bisherigen Darstellungen ab.

Der im GIS rekonstruierte Verlauf der Grenze zwischen dem Kanton Bern und dem Kanton Oberland um 1800.  (GIS HSE 2017; Kartengrundlage Dufourkarte, 2. Auflage, Blätter 12 und 13)

Amsoldingen und Reutigen gehörten gemäss der helvetischen Gebietsaufteilung vom 21. April 1798 zum Kanton Bern.[15] Die Zugehörigkeit von Amsoldingen, Reutigen, Stocken-Höfen und Zwieselberg zum Kanton Bern ist auch in der Stapfer-Enquête belegt. In Steffisburg bildete die Zulg die Grenze. Das lässt sich aus einer der bernischen Strassenklassierungslisten schliessen. Gemäss dieser führte «Die Straße von Bern gegen Thun […] von Bern nach Muri – Allmedingen – Münsigen – Niederwichtrach – Heimberg bis zur Zuldbrügg [Zulgbrücke], wo sie in den Canton Oberland trittet».[16] Die Schweizerkarte von Mallet bestätigt diesen Grenzverlauf entlang der Zulg. Die Gemeinden Schwendibach und Goldiwil, die heute in der Gemeinde Thun liegen, sowie Heiligenschwendi, Teuffenthal, Horrenbach und Eriz sind in den Tabellen der helvetischen Bevölkerungserhebung von 1798/1799 zum Kanton Bern gehörig aufgeführt.[17]

Die helvetische Grenze zwischen Thun (Oberland) und Goldiwil (Bern) und zwischen Hilterfingen (Oberland) und Heiligenschwendi (Bern) wurde mit dem Topographischen Atlas, Blatt 353, Ausgabe 1876 respektive mit dem Blatt 353, Ausgabe 1876 rekonstruiert. Dieser Grenzverlauf erklärt auch die Tatsache, dass das Dorf Hünibach in den Bevölkerungs- und Gebäudetabellen vom Januar 1799 unter dem Kanton Bern aufgeführt wurde (siehe dazu auch das Kantonsdossier Oberland).

BER-OBE_Thun_TA-353_Ausschnitt

Im GIS rekonstruierter Verlauf der Grenze zwischen dem Kanton Bern und dem Kanton Oberland um 1800. (GIS HSE 2017; Kartengrundlage: Topographischer Atlas, Blätter 355 und 391)

Auch der Grenzverlauf zwischen Biel und Lengnau erfordert eine Klärung. In den provisorischen Kantonsaufteilungen und in der Distriktsliste der Division III des Kriegsministeriums wurden Lengnau und Pieterlen nicht erwähnt.[18] Lengnau war in der Aufteilung übersehen und erst mit einem nachträglichen Entscheid vom 2. Mai 1798 dem Distrikt Büren und damit dem Kanton Bern zugeordnet worden.[19] Lengnau wurde sowohl in der bernischen als auch in der solothurnischen Strassenklassifikation als Endpunkt genannt. In letzterer ist die zwischen Grenchen und Lengnau liegende Kantonsgrenze genauer lokalisiert.[20] Die Grenze östlich von Biel bis westlich vor Pieterlen haben wir mit Mallets Schweizerkarte von 1798, mit dem Atlas Suisse und mit dem Topographischen Atlas, Blatt 124, Ausgabe 1876 rekonstruiert. Eine Bestätigung dafür finden wir in der helvetischen Schulenquête, in welcher die Schulen von Madretsch und Mett beim Kanton Bern aufgeführt wurden.[21]

Das Strassennetz des helvetischen Kantons Bern gemäss Umfrage vom 22. Oktober 1800

In der Umfrage des Kriegsministers vom 18. Oktober 1800, im Gesetz vom 22. Oktober 1800 und in folgenden Präzisierungen des Kriegsministers wurde kurz erläutert, was die verschiedenen Klassen auszeichnete:

1. Klasse
Hauptstrassen, die durch Transport grosser Lasten, durch Diligencen und allgemein grosse Frequenzen am meisten mitgenommen werden.

2. Klasse
Wege, die durch Fuhrwerke des Handelsverkehrs weniger mitgenommen werden, die aber dennoch zu den grossen Strassen gerechnet werden.

3. Klasse
Kommunikationswege, die von den grossen Strassen aus ins Landesinnere führen oder die Regionen untereinander verbinden.

4. Klasse
Gemeindeverbindungen.

Zur Klasseneinteilung siehe auch «Strassenklassen».

Strassennetz gemäss der Klassifizierung der kantonalen Verwaltungskammer und den Rückmeldungen des Kriegsministers in den benachbarten Kantonen. Siehe dazu auch den unten folgenden Anhang «Bemerkungen zur Umsetzung der Klassifikation im GIS». (GIS HSE 2018; Relief Imhof 1982)

Das Hauptstrassennetz, wie es Ende des 18. Jahrhundert bestand, war auf das viel grössere Gebiet des alten Berns bezogen entstanden respektive gebaut worden. Dieses erstreckte sich von der Grenze bei Genf bis kurz vor Zürich und Zurzach. Anderseits gehörte das Gebiet des späteren Berner Juras und des Kantons Jura noch nicht dazu. Um das Netz verstehen zu können, lohnt sich ein ausführlicherer Blick in die bernische Strassengeschichte des 18. Jahrhundert. Immerhin war die Zielsetzung, die die helvetische Regierung mit ihren Umfragen und mit ihrer Reform der Strassenverwaltung verfolgte, von bemerkenswerten Anleihen beim bernischen Strassenbau der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts getragen. Kontinuitäten bestanden über das Fachpersonal (Jean Samuel Guisan, Henri Exchaquet oder Pierre Bel) und hinsichtlich des bautechnischen Prinzips des Chausseebaus.

Bei den Hauptstrassen erster und zweiter Klasse handelte es sich um die seit den 1740er-Jahren gebauten Chausseen. Sie waren stark auf die Stadt Bern ausgerichtet. Sie verbanden Bern mit den wichtigen Hauptorten der Helvetischen Republik und der angrenzenden Gebiete Frankreichs. Gemäss Definition der vier Klassen konnten die Hauptstrassen mit schweren Fuhrwerken und Kutschen befahren werden, während die Strassen dritter und vierter Klasse nur kleinere Wagen und Karren zuliessen. Bei den schweren Fuhrwerken handelte es sich in der Zeit des ausgehenden Ancien Régime in der Regel um Zweispänner mit einem Gewicht von zwei bis zweieinhalb und in der Zeit der Helvetik bis drei Tonnen, Fracht inklusive Wagengewicht. Das waren obrigkeitlich verordnete Höchstgewichte, bei denen sich Bern durchgesetzt hatte, während die Kaufmannschaft von Basel höhere Limiten gewünscht hätte.[22]

Von der Reuss bis an den Genfersee – Verkehr und Strasseninfrastruktur im 18. Jahrhundert[23]

Das 18. Jahrhundert war eine Zeit des intensiven Strassenbaus. Die neuen Strassen standen im Zentrum jener grundlegenden und vielschichtigen Umgestaltung der Verkehrsverhältnisse, die in der neueren Fachliteratur als eine erste Verkehrsrevolution, noch vor jener der Eisenbahnzeit, beschrieben wird. Der Rollwiderstand der Wagen reduzierte sich um mehr als die Hälfte, während sich die Ladekapazität und die möglichen Tempi der Fuhrwerke mehr als verdoppelten. Sie ermöglichten nun Wagentransporte während des ganzen Jahres und boten allgemein vorhersehbare Bedingungen, die für die Koordination der Bewegungen und damit auch für den Wagenpostverkehr von entscheidender Bedeutung wurden. Nicht zuletzt erlaubten sie auch das Fahren während der Nacht. Sie verbesserten damit die Voraussetzungen für ein eigenständiges Transportgewerbe, dem es erst auf den neuen Strassen zunehmend gelang, die bisher dominierenden nebengewerblichen Bauernfuhren effektiv zu konkurrieren.

Der Staat befasste sich wohl auch mit der Schifffahrt und bezog von dort wichtige Zolleinnahmen.[24] Im Zentrum der verkehrspolitischen Massnahmen und Verbesserungen standen jedoch die Strassen. Der in den 1740er-Jahren beginnende Bau von Chausseen, stand im Zusammenhang mit der Neuordnung von Staat und Wirtschaft unter merkantilistisch-kameralistischen Gesichtspunkten, direkt mit der Zollreform und vor allem mit der Ausbildung respektive der Reorganisation territorialer staatlicher Verwaltungsstrukturen. Die Strassen erscheinen im Staatsinteresse als Instrument des nach aussen vorteilhaften Handels, der reibungslosen Zirkulation, der Versorgung vor allem der Städte und der fortschreitenden Erschliessung produktiver Möglichkeiten des Landes, in deren Zusammenhang auch andere Infrastrukturen, wie zum Beispiel die mit den Strassenanlagen eng verbundenen wasserbaulichen Einrichtungen standen. Im vielschichtigen Prozess des Übergangs von der Familien- und Standesherrschaft des Ancien Régime zu modernen Verwaltungsstrukturen wurde der Strassenbau zu einer wichtigen Leitlinie.

Ausbau des Hauptstrassennetzes

Die Verläufe der alten Landstrassen genügten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts den überregionalen Verkehrsbedürfnissen der expandierenden Wirtschaft nicht mehr. Sie folgten kurvenreich meist leicht erhöht den Abhängen und durchquerten die Ebenen an den engsten Stellen. In intensiv genutzten Gebieten und an exponierten Stellen waren sie zwischen Hecken, Bäumen und Mauern oft übermässig eingeengt, während sie sich im extensiv genutzten Umland oft zu eigentlichen Wegbereichen ausweiteten. Der extensive Unterhalt und viele Bautätigkeiten erfolgten als Fronarbeit der Bauern im Rhythmus des Landwirtschaftsjahrs. Für die steilen und für die mangelhaft unterhaltenen Passagen benötigte man immer wieder einen Vorspann zusätzlicher Zugtiere. Sechs Monate im Jahr – über den Winter und bei schlechtem Wetter – war der Verkehr über grössere Distanzen stark behindert; der Transitverkehr stand ganz still.[25]

Schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte sich eine aktivere staatliche Rolle im Strassenbau abgezeichnet, und zu Beginn des 18. Jahrhunderts standen mit der Verbesserungen wichtiger Hauptstrassen und dem Bau der neuwe Strass von Bern über Kirchberg in den Aargau in den Jahren 1706–1711 grössere Strassenprojekte an. Als wichtige Neuerung der Zeit sollte sich der Ratsentscheid des Jahres 1718 herausstellen, die Hauptstrassen der Zollkammer zu übergeben, von wo aus in der Folge einerseits die staatswirtschaftlich-fiskalische Motivation zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse wachsen konnte und wo andererseits eben auch die Mittel dazu direkt verfügbar waren.[26]

Der Ausbau der Hauptstrassennetze erfolgte im 18. Jahrhundert international und interregional in einer auffallenden zeitlichen Übereinstimmung. In Frankreich wurden seit dem Ende der 1730er-Jahre Chausseen gebaut. Nur kurz danach, 1742, folgte Bern, das damals über eine im schweizerischen Vergleich fortgeschrittene Staats- und Verwaltungsorganisation verfügte.[27]

Die wichtigsten neuen Strassen waren die alte West-Ost-Route vom Genfersee über Moudon, Murten, Aarberg und Solothurn, die Strasse von Bern über Gümmenen nach Murten, die neue Aargauerstrasse von Bern über Kirchberg, Herzogenbuchsee und Lenzburg Richtung Zürich und über Brugg Richtung Zurzach und Schaffhausen, die Strasse von Bern nach Solothurn, die Strasse von Bern nach Neuenegg Richtung Freiburg und die Bözbergstrasse als Abschnitt der Transitroute Zürich–Basel. Darüber hinaus wurden noch weitere Verbindungen ausgebaut, wie die Strassen von Bern über Biel in den Jura, die Strasse nach Thun oder die Strasse über Burgdorf in den Aargau.[28] Der bernische Chausseebau beschränkte sich damit im 18. Jahrhundert auf die Transitrouten Staatsgebiet und auf Hauptverbindungen von und nach Bern. Praktisch gleichzeitig wurden im fürstbischöflichen Gebiet des Jura Strassen aus- und neu gebaut: 1740–1745 wurden die Hauptstrassen zwischen Biel und Porrentruy sowie zwischen dem Laufental, Delémont und Les Rangier ausgebaut. 1746–1752 folgte die Neuanlage einer Strasse von Biel über Tavannes und Moutier nach Delémont. Diese diente sowohl dem Verkehr Richtung Porrentruy als auch Richtung Basel.[29] Und trotz ebenfalls sehr unterschiedlicher politischer Verfassungen und wirtschaftlicher Voraussetzungen der schweizerischen Staaten des Ancien Régime folgten andere Kantone im zeitlichen Abstand von bis zu drei Jahrzehnten dem bernischen Beispiel, so dass in dieser Phase die wichtigsten Transitrouten zwischen dem Boden- und dem Genfersee neu- oder ausgebaut wurden.

Der französische Chausseebau als Vorbild

In technischer Hinsicht waren die französischen Verfahren massgebend, die im 1716 gegründeten Corps des ponts et chaussées sowie in der 1747 gegründeten École des ponts et chaussées entwickelt und gelehrt wurden. Nach dem ersten Werk von Bedeutung über den Strassenbau von Gautier, waren es die Modifikationen von Trésaguet aus den 1760er- und 1770er-Jahren.[30] 1762 publizierten Franz Ludwig Haldimann, 1787 Henri Exchaquet und 1800 Jean Samuel Guisan die ersten schweizerischen Lehrbücher. Alle drei Autoren hatten wichtige Funktionen im bernischen Chausseebau inne.[31]

Die Elemente des Chausseebaus waren schon früher bekannt. Die Mauern, Brücken, Randsteine bildeten nun aber dichtere Reihen. Neu am Kunststrassenbau war vor allem die Projektierung der ganzen Linienführung, in der eine möglichst gerade Anlage mit möglichst geringen Steigungen erreicht werden sollte. Zum prägenden Bild des Hauptverkehrsnetzes wurden die sogenannten Talstrassen und die über Hügel und Berge führenden Serpentinen. Senken wurden aufgefüllt, Geländeerhebungen durchschnitten. Die bauliche Konstruktion war vorgegeben von den Zielen möglichst geringer Steigungen und einer schnellen Entwässerung des Wegbereichs, dem grössten Problem des damaligen Wegbaus und Wegunterhalts. Durch die sumpfigen Ebenen wurden Dammanlagen gebaut. Der mit seitlichen Strassengräben versehene Strassenkörper bestand in seinem unteren Teil aus grob gesetzten Steinen. Auf diese Schicht wurde eine Schotterung mit nach oben abnehmendem Korn so eingebracht, dass sie sich leicht gewölbt verdichtete. Letzteres erfolgte hauptsächlich durch den Verkehr selbst.

Zunächst wurden die Chausseen unter staatlicher Aufsicht und mit einer relativ geringen staatlichen Mitfinanzierung von jährlich 6000 Kronen noch zum grossen Teil in Fronarbeit gebaut und durch die Anrainer, die Anstösser, unterhalten. Die Verpflichtung zur Fronarbeit legitimierte sich aus der hauptsächlichen lokalen Nutzung der Strassen. Die Chausseen und deren grosse, offensichtliche Bedeutung für den regionalen und überregionalen Verkehr waren auf Dauer in dieser Organisation aber weder zu legitimieren noch zu realisieren. Dies führte zunächst zu einer Straffung der Strassenfron. Die ursprünglich nur auf den Unterhalt bezogene Wegpflicht der Anstösser erweiterte sich zu einer Pflicht zum Neu- und Ausbau. Parallel dazu wurde die Strassenfron zunehmend durch eine Anrainersteuer ersetzt, wobei auch die Definition, wer Anrainer war, vom direkten Grundstückanstoss zur Anrainergemeinde oder zum Anrainerbezirk ausgedehnt wurde. Die Ersetzung der Natural- durch Geldleistungen ermöglichte den rationelleren Einsatz von Arbeitskräften. Zudem trug sie dem Umstand Rechnung, dass für bestimmte Arbeiten im Chausseebau der Beitrag von Fachleuten notwendig war.[32]

Zehenders ohnmaßgebliches Memoriale

Am Anfang jener Phase forcierter Bautätigkeit steht in Bern eine 1740 gedruckte Publikation von Friederich Gabriel Zehender, das Unterrhänigst- und ohnmaßgebliches Memoriale, über Die Construction, Reparation und Conservation der hohen Land-Strassen.[33] Es handelt sich um die erste schweizerische Fachschrift zum Strassenbau. Sie behandelt hauptsächlich die wirtschafts- und verwaltungspolitischen Voraussetzungen und Auswirkungen neuer Strasse. Der sorgfältige argumentative Duktus macht die kurze Schrift zur wichtigen, vielschichtigen Quelle des bernischen Chausseebaus.

Zehender beschrieb 1740 den Nutzen der Chausseen, indem er – ein Kunstgriff jeder Utopie – angesichts der offensichtlichen Engpässe die zukünftigen Gewinne schon als gegenwärtige Verluste vorrechnete: Angesichts dieser Missstände würde die Finanzierung jeglicher Verbesserung zur eigentlichen Ersparnis. Er legte ein umfassendes Programm vor, welches sowohl die grundlegende Erneuerung der wichtigsten Strassen als auch der staatlichen Institutionen des Strassenbaus vorsah. Er wies darauf hin, dass der Kunststrassenbau nicht allein ein technisches Problem der Konstruktion, sondern Gegenstand des konsequenten Staatsvollzugs sei. Die Chaussee erscheint dabei nicht nur als Ingenieurbaute, sondern als Staatsprinzip und als neue Raumordnung.

In Zehenders Memoriale finden sich als Forderungen viele der Charakteristiken einer modernen Staatsverwaltung: eine Strassenkommission, in der Sach- und Entscheidungskompetenz verbunden sind, die entlöhnte Anstellung von ausgebildeten Inspektoren und Wegknechten, die Bereitstellung der rechtlichen, finanziellen und personellen Mittel für den permanenten Unterhalt, den Erlass von griffigen Strassen- und strassenbezogenen Strafordnungen und als wichtigsten Punkt einen zweckgebundenen Strassenfonds zur Sicherung der langfristigen Finanzierung. Entsprechende Institutionen, Instrumente und Verfahren mussten sich jedoch in der langfristigen Realisierung des Bauprogramms erst herausbilden und bewähren. Sie sicherten letztlich erst die Nachhaltigkeit der Verbesserungen.

Zwischen den 1740er- und den 1780er-Jahren wurde im bernischen Gebiet von der Reuss bis an den Genfersee ununterbrochen gebaut. Dies war eine Verwaltungsleistung von beispiellos langem Atem. Es sollte allerdings noch mehr als hundert Jahre dauern, bis die 1740 von Zehender geforderten Reformen alle durchgesetzt und auf Dauer institutionalisiert waren.

Anhang: Bemerkungen zur Umsetzung der Klassifikation[34] im GIS

Steingaß: nicht lokalisiert.
Fridau: nicht lokalisiert.
Bümpliz: Strasse führt an der Siedlung vorbei.
Schallenhaüsli an der «Grenze Entlibuchs»: nicht lokalisiert.
Klebenhof: nicht lokalisiert.
Vordere Alp [von Rahnflüh erreichbar]: nicht lokalisiert.

Nicht lokalisierte Strassen 4. Klasse:

1. Communications Weg von dem obern Thor, gegen H[errn] von Grafenried und andre Güther.
2. Die Straße nach der Steingrube am Gurten durch das Morillon.
5. Die Communicationsstraß von obiger gegen die Wabernstraß durch den Sulgenbach.
7. Die Straße von Bern dem gemeinen Sod nach, untenaus.
8. Der alte Aergaüerstalden.
9. Die Straße durch die obere Schoshalden.
11. Das Gäßli durch die untere Schoshalden.
12. Das Buffertgäßli.
13. Die Straßen auf dem Spithalaker.
14. Das Weilergäßli.
15. Die Straßen auf dem breiten Rein.
77. Ein Weg […] nach Tschangnau gegen Luzern – einer nach Signau und Langnau.
94. Von Blumenstein auf Wattenwÿl: Ist im Rahmen der Strasse 3. Klasse Kirchenthurnen-Reutingen schon vorhanden.
104. Von Hasle auf Riggisberg: Ist im Rahmen von Zimmerwald-Riggisberg schon vorhanden.
111. Von Mühledorf nach Gerzensee: wird zweimal genannt.
112. Von Mühledorf nach Seftigen über Noflen: Ist im Rahmen von Kirchdorf-Seftigen-Uttigen und Kurzelen schon vorhanden.
124. Von Gaßen beÿ Walterigen nach Walterswÿl: Teil der Strecke Langenthal-Sumiswald schon vorhanden.

 

[1] Missivenbücher der Korrespondenz des Kriegsministers an Minister, Regierungsstatthalter, Verwaltungskammern, Strassenaufseher und andere Beamte vorwiegend über Bau, Unterhalt, Reparatur und Bezahlung von Strassen, Brücken, Festungswerken und Dämmen sowie über Fragen der Zölle; CH-BAR#B0#1000/1483#2812-2815.

[2] CH-BAR#B0#1000/1483#3174#1, fol. 7-35, [PDF-S. 10-59].

[3] Anfrage vom 15. September 1800: CH-BAR#B0#1000/1483#2813*, 124-126 [PDF-S. 127-130]; Antwort vom 5. Dezember 1800: CH-BAR#B0#1000/1483#3156#1, fol. 347–353 [570-582]; CH-BAR#B0#1000/1483#3173-04#1, fol. 173–182 [54-72] (franz. Übersetzung).

[4] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, 92-103, [PDF-S. 164-186]; CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, 106-108v, [PDF-S. 190-195]; CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, 109-113v, [PDF-S. 196-205].

[5] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, 27-46, [PDF-S. 43-81].

[6] CH-BAR#B0#1000/1483#3186#1_0021.

[7] CH-BAR#B0#1000/1483#3173-01#1 fol. 6–23, PDF-S. 10–28

[8] CH-BAR#B0#1000/1483#3173-01#1 fol. 24–39, PDF-S. 31–45; zu den beiden Karten von Pierre Bel vgl. Von Cranach, Philipp. Alte Karten als Quellen, in: Cartographica Helvetica, 22/2000, 31–42; http://doi.org/10.5169/seals-11663.

[9] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 92 [PDF-S. 165].

[10] CH-BAR#B0#1000/1483#3183#1_0016.

[11] CH-BAR#B0#1000/1483#3183#1_0034.

[12] CH-BAR#B0#1000/1483#3183#1_0030.

[13] Muralt, Hanna. Die Frage der Regionenbildung im Kanton Bern, Bern 1983, 72f.

[14] Jörin, Ernst. Der Kanton Oberland 1798–1803, Dissertation, Universität Zürich, Zürich 1912.

[15] ASHR 1, Nr. 30, 671.

[16] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 109-113v, fol. 110 [PDF-S. 198].

[17] B0#1000/1483#1090k*, B0#1000/1483#1090l*, Bevölkerungstabellen Volkszählung 1798/1799; diese hat uns freundlicherweise Prof. Dr. Martin Schuler zur Verfügung gestellt.

[18] ASHR 1, Nr. 30, 671f.; CH-BAR#B0#1000/1483#3168-04#1_211-227_Districte.

[19] ASHR 1, Nr. 83, 896; Andreas Fankhauser. Helvetik /1798–1803), in: Holenstein, André (Hg.). Berns goldene Zeit. Das 18. Jahrhundert neu entdeckt, Bern 2008, 531–536, 534.

[20] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 204-207v, [PDF-S. 377-384]

[22] Über die höchstzulässigen Gewichte vgl. Frey 1932, 56ff.

[23] Dieser Text von Hans-Ulrich Schiedt wurde in André Holenstein et al. (Hg.). Berns goldene Zeit, Bern 2008, 128–131, publiziert.

[24] Vgl. Appenzeller, Gotthold. Geschichte der schweizerischen Binnenschiffahrt im Gebiet der Juraseen und Aare, in: Mitteilungen des historischen Vereins des Kantons Solothurn, Heft 11, 1922; Bretscher, Alfred. Zur Flussschiffahrt im Alten Bern. Wasserwege, Schiffe und Organisation, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, 61. Jg., 3/1999, 105–147; Hirt, Heinz. Der Aarberger Kanal – ein direkter Wasserweg zwischen der Hauptstadt Bern und der Romandie im 17. Jahrhundert, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 2003, 63–95.

[25] Die Aufzählung orientiert sich an Zehender, Friederich Gabriel. Memoriale über die Construction, Reparation und Conservation der hohen Land-Strassen, [Bern 1740]; siehe unten.

[26] Baumann, Gotthilf. Das bernische Strassenwesen bis 1798, Sumiswald 1924, v. a. 82ff.; Bietenhard, Benedikt. Verwaltungsgeschichtliches zum bernischen Bauwesen im 18. Jahrhundert, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 36, 1974, 65–108, v.a. 84ff.

[27] Die grundlegenden Dokumente des Ratsentscheides sind: Friederich Gabriel Zehender. Unterrhänigst- und ohnmaßgebliches Memoriale, über Die Construction, Reparation und Conservation der hohen Land-Strassen, [Bern 1740, Stadt- und Universitätsbibliothek Bern, Sig.: H XXIV 257] und das Decret, wie landtstraaßen zu reparieren des Jahres 1742, in: SSRQ Bern Land, IX/2, 537ff., https://www.ssrq-sds-fds.ch/online/BE_I_9.2/BE_I_9.2.pdf [16. 11. 2018].

[28] Eine Übersicht gibt Kanton Bern. Historische Planungsgrundlagen, hg. vom Kantonalen Planungsamt, Bd. 3, 1973, 38ff.; vgl. auch IVS Dokumentationen.

[29] Dazu: Abplanalp, Franz. Zur Wirtschaftspolitik des Fürstbistums Basel im Zeitalter des Absolutismus. Reihe: Berner Beiträge zur Nationalökonomie, Bd. 14, Bern, Stuttgart 1971, 139ff.; Braun, Patrick. Joseph Wilhelm Rinck von Baldenstein (1794–1762). Das Wirken eines Basler Fürstbischofs in der Zeit der Aufklärung, Freiburg i. Ü. 1981, 167ff.; Rolf Peter Tanner. Geopolitische Dynamik und Verkehr im Fürstbistum Basel von der Antike bis zum Eisenbahnbau, Bern 2007.

[30] Gautier, Hubert. Traité de la construction des chemins, Paris 1693; Trésaguet, Pierre-Marie-Jérôme. Mémoire sur la construction et l’entretien des chemins de la généralité de Limoges, 1775, publiziert in: Annales des Ponts et Chaussées, 1er série, Mémoires et Documents, Paris 1831, 243–256.

[31] Haldimann, Franz Ludwig. Versuch einer Anweisung zur Anlegung der Landstrassen, in: Abhandlungen und Beobachtungen durch die ökonomische Gesellschaft zu Bern gesammelt, Jg. 3, Bern: Oekonomische Gesellschaft 1762, 63–99; Exchaquet, Abram Henri. Dictionnaire des ponts et chaussées, Lausanne et Paris 1787; Guisan, J[ean] S[amuel]. Bemerkungen über Erbauung, Verbesserung und Unterhaltung der Wege vorzüglich der Nebenwege, Bern 1800.

[32] Eine wissenschaftliche Untersuchung über die Ablösung der Fronarbeit im Strassenbau steht noch aus. Die gegebene Skizze basiert auf den Diskussionen und Festlegungen um die Bözbergstrasse; vgl. dazu Heuberger, Samuel. Der Bau der heutigen Bözbergstrasse. Ein Beitrag zur Geschichte der Landschaft und ihrer Verwaltung durch die Berner Patrizier im achtzehnten Jahrhundert; auch zur schweizerischen Verkehrsgeschichte, in: Argovia XLI, 1926, 1–140.

[33] Friederich Gabriel Zehender. Memoriale über die Construction, Reparation und Conservation der hohen Land-Strassen, [Bern 1740].

[34] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 109-113v [PDF-S. 196-205].