Gebiet
Nachdem sich das Unterwallis anfangs 1798 zur unabhängigen Republik erklärt hatte, wurden Unter- und Oberwallis auf Druck Frankreichs am 4. April 1798 in die Helvetische Republik integriert. Das Direktorium teilte den Kanton Wallis am 26. Juni 1798 in die Distrikte Ernen, Brig, Visp, Stalden, Leuk, Siders, Sitten, Hermence, Matrigny, Sembrancher, St. Maurice und Monthey ein.[1]
In der Folge entwickelten sich die Verhältnisse politisch und militärisch sehr unstet. Das Wallis wurde zum Kriegs- und Aufmarschgebiet. 1798 und 1799 kam es zu Aufständen der Oberwalliser gegen die Helvetische Republik. Vom November 1801 bis August 1802 besetzten wiederum französische Truppen den Kanton. In diesem Zusammenhang erschien auch die Annexion des Wallis respektive Teilen von diesem durch Frankreich als eine Option. Im August 1802 wurde das Wallis aus der Helvetischen Republik abgespaltet und noch einmal zur unabhängigen Republik erklärt. Im Zentrum der dabei von Frankreich verfolgten politisch-strategischen Interessen standen der Bau und die Kontrolle der Simplonstrasse.
Unsere Rekonstruktion des Gebietsstands des helvetischen Kantons Wallis stützt sich auf die Distriktseinteilung und auf die «Carte de Suisse suivant sa nouvelle division en XVIII Cantons formant la République Helvétique» von Henri Mallet aus dem Jahr 1798.
Quellen
Im Zusammenhang mit den verschiedenen Umfragen sind aus dem Kanton Wallis folgende im Projekt transkribierte Dokumente überliefert:
- Brückentabelle aus dem Jahr 1800[2]
- Strassenklassifikation vom 11. November 1800[3]
- Rückmeldung des Kriegsministers vom 11. November 1800[4]
- Zweite Rückmeldung des Kriegsministers vom 13. Dezember 1800[5]
- Antwort vom 25. Februar 1801 auf die Umfrage vom 15. Februar 1801 zu den Verhältnissen des Strassenbaus und -unterhalts[6]
Das Strassennetz des helvetischen Kantons Wallis gemäss Klassifikation von Ende 1800
In der Aufforderung des Kriegsministers zur Klassifikation der Strassen vom 18. Oktober 1800, im Gesetz vom 22. Oktober 1800 und in folgenden Präzisierungen des Kriegsministers wurde kurz erläutert, was die verschiedenen Klassen auszeichnete:
1. Klasse
Hauptstrassen, die durch Transport grosser Lasten, durch Diligencen und allgemein grosse Frequenzen am meisten mitgenommen werden.
2. Klasse
Strassen, die durch Fuhrwerke des Handelsverkehrs weniger mitgenommen werden, die aber dennoch zu den grossen Strassen gerechnet werden.
3. Klasse
Kommunikationswege, die von den grossen Strassen aus ins Landesinnere führen oder die Regionen untereinander verbinden.
4. Klasse
Gemeindeverbindungen.
Zur Klasseneinteilung siehe auch «Strassenklassen».
Die von der kantonalen Verwaltungskammer am 11. November 1800 eingereichte Klassifikation geht von der Einteilung in vier Klassen aus. In dieser war die Haupterschliessung des Wallis von der Brücke bei St. Maurice bis Brig eine Strasse erster Klasse. Die von Bouveret, dem Hafen am Genfersee, nach St. Maurice führende Verbindung wurde als Strasse zweiter Klasse eingestuft. Alle anderen erwähnten Wege waren drittklassig. Viele dieser Wege waren nur teilweise oder gar nicht befahrbar.
Diese Klassierungen wurden vom Kriegsminister mit dem Hinweis auf eine auf das ganze Gebiet der Helvetischen Republik angestrebte Einheitlichkeit korrigiert. Danach wies der Kanton Wallis keine erstklassige Strasse mehr auf. Die Hauptstrasse bis Brig war nun zweitklassig und alle anderen Strassen und Wege entweder dritt- oder viertklassig. Die Chaussee über den Simplon und die Zufahrt zu dieser wurden erst in den Jahren 1801 bis 1805 gebaut.
Anders als die Kantone Waldstätten und Oberland nahm die Verwaltungskammer des Wallis die den Gebirgsgegenden gebotene Gelegenheit nicht wahr, die Saum- und Fusswege als fünfte und sechste Klassen aufzunehmen. Sie beliess sie als nicht fahrbare Wege in der dritten und vierten Klasse.
Strassennetz gemäss der Klassifizierung der kantonalen Verwaltungskammer vom 11. November 1800.[7] (GIS HSE 2018; Relief Imhof 1982)
Vom Kriegsminister mit Schreiben vom 13. Dezember 1800 bereinigtes Netz.[8] (GIS HSE 2018; Relief Imhof 1982)
Der Bau der Simplonpassstrasse und die Helvetische Republik
Die Grossunternehmung einer für schwere Fuhrwerke fahrbaren Militär- und Handelsstrasse vom Wallis ins Piemont begann nach planerischen Vorarbeiten mit Napoleons Dekret vom 7. September 1800. Die Eröffnung der Strasse wurde am 9. Oktober 1805 gefeiert. Tatsächlich dauerten die Bauarbeiten an der schon befahrenen Strasse noch mehrere Jahre weiter.
Eigentlich wäre es die Aufgabe der helvetischen Regierung gewesen, diese auszubauen. So war es als Punkt 5 des Friedensvertrags zwischen Frankreich und der Helvetischen Republik vom 19. August 1798 festgelegt: «Afin d'assurer les communications de la Republique française avec l’Allemagne meridionale et l’ltalie, il lui sera accordé le libre et perpetuel usage de deux routes commerciales et militaires, dont la […] seconde, partant de Geneve et traversant le département du Montblanc, traversera également le Valais pour aboutir sur le territoire de la République cisalpine, suivant une direction qui sera déterminé, et il est convenu que chaque Etat fera sur son territoire les travaux nécessaires pour l'achèvement [in den schweizerischen Druckausgaben steht établissement] de ces deux routes.»[9] Es fehlten jedoch die politischen, die finanziellen und die verwaltungsorganisatorischen Mittel dazu.
Die Strasse über den Simplon war in der Folge eine von Napoleon persönlich forcierte Unternehmung der französischen Militärorganisation und der französischen Strassenverwaltung. Sie wurde zur Verbesserung der aktuell im Zweiten Koalitionskrieg als schwierig erlebten Transportverhältnisse zwischen Frankreich und Oberitalien gebaut. Es ist bezeichnend, dass mit dem Bau der Simplonpassstrasse wohl ein sehr wichtiges Strassenbauvorhaben während der Zeit der Helvetischen Republik begann, aber nicht von ihr veranlasst und auch nicht von der Abteilung III, der zentralen Strassen- und Brückenverwaltung des Kriegsministeriums, geplant oder geleitet wurde. In dieser zirkulierte vielmehr eine von ihr bestellte Denkschrift des Ingenieurs Franz Samuel Wild, der die Realisierung einer Chaussee durch das Gebirge am Simplon und konkret auch die bereits als Projekt erarbeitete Linienführung durch die Schlucht bei Gondo aus verschiedenen Gründen nicht möglich und auch nicht sinnvoll hielt.[10] Die Verwaltungskammer des Kantons Wallis fand das Projekt nutzlos und zu teuer.
Wohl betonten französische Dokumente der diplomatischen Korrespondenz die Tatsache immer wieder, dass die Strasse nicht nur von Frankreich her veranlasst und geleitet, sondern auch finanziert würde. Trotzdem hatten dann aber die Helvetische Republik, der Kanton Wallis und die ortsansässige Bevölkerung mehr oder weniger stark beizutragen. Letztere war durch die Beherbergung der Truppen und der Arbeiter sowie durch die Fuhrdienste stark belastet. Die helvetische Verwaltung musste für die Rekrutierung und die Ausrüstung der fast tausend Arbeiter aufkommen, die dann im Rahmen der Strassenunternehmung selbst mit Taglöhnen von 6 bis 8 Batzen weit unterdurchschnittlich bezahlt wurden. Und das Wallis hatte die Enteignung der Grundbesitzer zu finanzieren und die Strasse von St-Gingolph bis Brig auszubauen.[11]
Seit der Mitte des Jahres 1801 wurde in direktem Zusammenhang mit dem Bau der Simplonstrasse von französischer Seite her die förmliche Abtretung eines Teils des Wallis gefordert. Anlässlich der Konstitution des Wallis als Republik im August 1802 war die Regelung der Verhältnisse um die Simplonstrasse denn auch ein zentraler Punkt der Verhandlungen zwischen Frankreich, der Helvetischen Republik und dem Wallis.[12]
Die mit Simplonpassstrasse erwiesene Möglichkeit des Chausseebaus auch im Gebirge strahlte weit aus. In dieser Hinsicht war sie auch von herausragender verkehrsgeschichtlicher Bedeutung.
[1] ASHR 2, Nr. 66, 329–331.
[2] CH-BAR#B0#1000/1483#3174#1, fol. 97-99 [PDF-S. 149-153].
[3] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 247-250 [PDF-S. 452-458].
[4] CH-BAR#B0#1000/1483#2813#1, p. 155 [PDF-S. 158].
[5] CH-BAR#B0#1000/1483#2813#1, p. 166-167 [PDF-S. 169].
[6] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 115-119v [PDF-S. 202-211].
[7] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 247-250 [PDF-S. 452-458].
[8] CH-BAR#B0#1000/1483#2813#1, p. 166-167 [PDF-S. 169-170].
[9] ASHR 2, Nr. 211, 884–892, zit. 885f. Bei der Klammerbemerkung handelt es sich um eine Präzisierung der Herausgeber der ASHR.
[10] CH-BAR#B0#1000/1483#3166-02#1, fol. 134-137v [PDF-S. 3-10].
[11] Vgl. dazu die Angaben der Durchschnittslöhne im Dokument CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 115-119v [PDF-S. 202-211].
[12] Unter den zahlreichen Studien zur Geschichte der Simplonstrasse gibt es keine, die die konkrete Bauorganisation, die Finanzierung inklusive der Naturalleistungen und die helvetischen Zusammenhänge quellenbasiert abhandeln. Die Skizze beruht auf einer systematischen Durchsicht der Digitalisate der ASHR zum Stichwort «Simplon».