Kanton Aargau

Gebiet

Der Aargau entstand erst in der beginnenden Helvetik. Er wurde in der Zeit der Helvetik in territorialer Hinsicht mehrmals verändert. Die Gebietsentwicklung ist im Historischen Lexikon der Schweiz zusammengefasst: Der Kanton Aargau, «eingeteilt in die fünf Distrikte Aarau, Brugg, Kulm, Lenzburg und Zofingen, umfasste vorerst den ehemals bernischen Unteraargau östlich der Wigger. Der westliche Teil des Amtes Aarburg kam formell 1802, faktisch aber erst 1803 dazu. Kantonshauptstadt war Aarau, das vom Mai bis September 1798 auch Hauptstadt der Helvetischen Republik war. Aus den Freien Ämtern, der Grafschaft Baden und dem Kelleramt wurde am 11. April 1798 – nach deren Entlassung als Untertanengebiete Ende März – ein Kanton Baden gebildet. Am 9. April 1802 konstituierte sich das bis 1801 österreichische Fricktal als Kanton (Hauptort Rheinfelden), der am 13. August 1802 als selbständiger Gliedstaat der Helvetischen Republik angegliedert wurde.»[1]

Unsere Rekonstruktion des Gebietsstands der helvetischen Kantone Aargau und Baden stützt sich hauptsächlich auf Meier et al.[2] Anders, als deren Kartenskizze zeigt, gehörte die Gemeinde Hottwil allerdings nicht zum Kanton Aargau, sondern zum Fricktal. Darauf schliessen wir aufgrund der Manuskriptkarte des Fricktals aus dem Kartenbestand des Kriegsministeriums und aufgrund der Tatsache, dass Hottwil weder in der Distriktseinteilung des Kantons Aargau noch in der entsprechenden Liste der helvetischen Strassenverwaltung erwähnt wurde.[3]

Quellen

Die Amtskorrespondenz zwischen der Zentralverwaltung respektive dem Kriegsministerium und den Behörden des Kantons war bemerkenswert dicht (siehe dazu «Schriftlichkeit als Verwaltungsprinzip»). Im Zusammenhang mit den verschiedenen Umfragen sind aus dem Kanton Aargau folgende im Projekt transkribierte Dokumente überliefert:

  • Strassenrapport der Verwaltungskammer an den Kriegsminister vom 16. November 1799[4]
  • Brücken des Kantons Aargau, nicht datiert[5]
  • Beschreibung der Strassen im Kanton Aargau; Klassifikationstabelle [Ende 1800][6]
  • Rückmeldung des Kriegsministers vom 26. Dezember 1800 auf die am 3. Dezember eingegangene Klassifikation[7]
  • Antwort vom 25. Februar 1801 auf die Umfrage vom 15. Februar 1801 zu den Verhältnissen des Strassenbaus und –unterhalts (‹Umfrage der 23 Fragen›)[8]
  • Strasseneinteilung  vom 25. Juli 1801[9]

Im Weiteren sind in den Beständen der dritten Abteilung des Kriegsministeriums drei Manuskriptkarten überliefert, die Gebiete des Kantons Aargau zeigen:

  • Carte Topographique de la Grande Route de Berne à Zurich […] par P. Bel […] 1787[10]
  • Plan indiquant l’etendue de Chemin que les Communes de Brittnau & Stængelbach doivent entretenir, 1799[11]
  • Carte d’un Partie du Canton d‘Argovia[12]

Das Strassennetz des helvetischen Kantons Aargau gemäss Klassifikation von Ende 1800

In der Umfrage des Kriegsministers vom 18. Oktober 1800, im Gesetz vom 22. Oktober 1800 und in folgenden Präzisierungen des Kriegsministers wurde kurz erläutert, was die verschiedenen Klassen auszeichnete:

1. Klasse
Hauptstrassen, die durch Transport grosser Lasten, durch Diligencen und allgemein grosse Frequenzen am meisten mitgenommen werden.

2. Klasse
Wege, die durch Fuhrwerke des Handelsverkehrs weniger mitgenommen werden, die aber dennoch zu den grossen Strassen gerechnet werden.

3. Klasse
Kommunikationswege, die von den grossen Strassen aus ins Landesinnere führen oder die Regionen untereinander verbinden.

4. Klasse
Gemeindeverbindungen.

Zur Klasseneinteilung siehe auch «Strassenklassen».

Das Strassennetz des Kantons Aargau nach der Rückmeldung des Kriegsministers vom 26. Dezember 1800. (GIS HSE 2018; Relief Imhof 1982)

Der Kanton Aargau wies gemäss der ursprünglich abgegebenen Liste vier in der ersten Klasse eingestufte Strassen auf, die alle noch auf den bernischen Chausseebau zurückgingen. Ein stärker auf den Kantonshauptort Aarau ausgerichtetes Strassennetz sollte erst in den 1830er-Jahrern entstehen. Strassen erster Klasse waren die an Aarau vorbeiführende Hauptstrasse von Bern nach Zürich, die Hauptstrasse von Zürich über Brugg Richtung Basel, die Strasse von Basel über den Unteren Hauenstein Richtung Luzern und die in Hunzenschwil aus der grossen Chaussee abzweigende Strasse nach Brugg Richtung Zurzach und Schaffhausen. Letztere wurde in der Rückmeldung aus dem Kriegsministerium in die zweite Klasse zurückgestuft.

Die Aargauer Klassifikation wies keine viertklassigen Strassen aus.[13] Das entsprach durchaus noch dem Auftrag des Kriegsministers. In diesem waren wohl vier Klassen erwähnt und definiert. Die helvetische Strassenverwaltung forderte aber zwingend nur von den ersten drei Klassen Informationen ein. Es war den Kantonen überlassen, auch die vierte, respektive in Gebirgskantonen auch die vierte bis sechste Klasse zu dokumentieren. Die ursprünglichen Pläne der Zentralverwaltung hatten die Übernahme der Strassenverantwortung der ersten drei Klassen durch den Staat vorgesehen. Dieses weitgehende Ziel wurde angesichts der helvetischen Finanzmisere schon bald auf die Strassen erster und zweiter Klasse reduziert.

Alle klassifizierten Strassen waren fahrbar, die erste und die zweite Klasse mit Kutschen und schweren Fuhrwerken. Bei letzteren handelte es sich in der Regel um Zweispänner mit einem Gewicht, Fracht inklusive Wagen, von zwei bis zweieinhalb und in der Zeit der Helvetik bis drei Tonnen.[14] Die dritt- und viertklassigen Strassen waren mit leichten Karren und Wagen befahrbar.

Strassenverhältnisse

Der Rapport einer Besichtigung der wichtigsten Hauptstrassen aus dem Jahr 1799 vermittelt einen detaillierten Eindruck sowohl von den allgemeinen Erfordernissen des Strassenunterhalts als auch von den besonderen, teilweise prekären Verhältnissen vor Ort. Dass diese vor allem die Bözbergstrasse betrafen, hatte den Grund nicht zuletzt in der Tatsache, dass der östliche Jurapass in den Verhältnissen des Ancien Régime für Bern nie prioritär war und auch erst als Chaussee ausgebaut wurde, als die Transporte zwischen Zürich und Basel immer vermehrt auf den Umweg über Kaiserstuhl auswichen.[15] Im Visitiationsbericht treten auch Aspekte des Chausseebaus und ‑unterhalts hervor: «Von dem Brugger Bezirk hinwegg, der auch in etwas übergrienet werden solte, ist die Straß an verschiedenen Ohrten, den Berg hinauf in dem Bezirk Ümiken mit Grien zu überführen nothwendig, nach dem Bericht deß Wegknechts aber, schlagt solches diese Gemeind rund ab, weilen sie gar keinen Zug mehr besizen, und nicht mehr vermögen Frembde anzustellen.
Durch die samtlichen übrigen Bezirken, besonders über das Moos bey Ursprung biß zu oberst auf den Stalden, ist die Straß in so schlechtem Zustand, daß wann sie nicht wider frisch mit Steinen oder Grien überführt, sie biß im Früh Jahr gänzlich verderbt seyn wird. An den meisten Ohrten ist alles biß auf das Steinbett eingekarret, so daß sie sich in dem elendesten Zustand befindet. Bey dem Stalden Wihrtshaus ist sie am schlechtesten, worzu der Schatten der darneben liegenden, der Statt Brugg angehörenden Waldung, im Wydaker g[enann]t, das seinige beygetragen. Welche aber nach Vorschrifft deß Straßen Reglements, abzuhauen, die Municipalitæt Brugg bereits ersucht. Von dem Stalden Wihrtshaus hinwegg, auf der andern Seithen den Berg hinab, ist ein Stuk biß in die Ebene zimlich gut. Von dannen aber biß auf das Feld gegen Efingen, ist die Straß sehr eingekarret und hat auch schleunige Verbeßerung nöthig.
Über das Feld hinab biß zu dem dorff Efingen, ist dieselbe zimlich gut, durch das dorff aber biß auf das Feld gegen Bözen, solte solche nothwendig reparirt werden.
Von dorthen ist über das Feld hinab, biß an das dorff Bözen der Weeg in ordentlichem Zustand, durch das dorff aber biß an die Grenzen von Hornußen, ist eine Übergrienung absoluté nothwendig.»[16]

Der Visitationbericht beschreibt summarisch auch die Nebenstrassen. Die Ortsverbindungen waren schmal und von den jeweiligen lokalen Bedürfnissen, Fertigkeiten und Möglichkeiten der sogenannten Anstösser geprägt, die sie in der Regel auch unterhalten mussten. Ihr Zustand war prekär und ihre Gestalt unterschiedlich. «Die Nebenstraßen […] begreifen alle Dorf Straßen, welche theils zur Kommunikation einer Gemeind der anderen und für ihre Güter dienen, indemme keine Gemeinde in dem Kanton Argau ist, welche nicht mehr oder minder mit solchen Gemeinds- oder Nebendstraßen versehen, und gröstentheils von den angrenzenden Güter Besizern nothdürftig unterhalten werden müßen, meistens aber in so schlechtem Zustand, daß sie blos zu ihrer eigenen Nothdürftigkeit brauchbar sind.»[17]



[1] Staehelin, Heinrich. Artikel Aargau, Unterkapitel: Der helvetische Kanton Aargau 1798-1803, www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D7392.php.

[2] Meier, Bruno et al. (Hg.). Revolution im Aargau, Umsturz – Aufbruch – Widerstand 1798–1803, Aarau 1997, 66.

[3] CH-BAR#B0#1000/1483#3183#1_0010; ASHR I, Nr. 142, 1137–1140; CH-BAR#B0#1000/1483#3168-04#1, fol. 211-227 [PDF-S. 1-32].

[4] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 31-46, [PDF-S. 58-84].

[5] CH-BAR#B0#1000/1483#3174#1, fol. 2 [PDF 2].

[6] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 31-46, [PDF 58-84]. Die Klassifikation des Kantons Aargau ist nicht datiert. Die Tatsache, dass der Kriegsminister am 26. Dezember 1800 seine Rückmeldung verfasste, datiert die Klassifikation eindeutig auf das Jahr 1800.

[7] CH-BAR#B0#1000/1483#2813#1, p. 186-187 [PDF-S. 189-190].

[8] CH-BAR#B0#1000/1483#3175-02#1, fol. 9-11 [PDF-S. 10-14].

[9] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 47-59v, [PDF-S. 85-110].

[10] CH-BAR#B0#1000/1483#3173-01#1, fol. 24–39 [PDF-S. 31–45]; zu den beiden Karten von Pierre Bel vgl. Von Cranach, Philipp. Alte Karten als Quellen, in: Cartographica Helvetica, 22/2000, 31–42; http://doi.org/10.5169/seals-11663.

[11] CH-BAR#B0#1000/1483#3168-01#1, fol. 123 [PDF-S. 215].

[12] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 38 [PDF-S. 72].

[13] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 31-46, [PDF-S. 58-84].

[14] Über die höchstzulässigen Gewichte vgl. Frey, Robert. Das Fuhrwesen in Basel von 1682 bis 1848, Basel 1932, 56ff.

[15] Dazu detailliert: Heuberger, Samuel. Der Bau der heutigen Bözbergstrasse. Ein Beitrag zur Geschichte der Landschaft und ihrer Verwaltung durch die Berner Patrizier im achtzehnten Jahrhundert; auch zur schweizerischen Verkehrsgeschichte, in: Argovia XLI, 1926, 1–140.

[16] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 31-46 [PDF-S. 58-84], zit. fol. 32. Der Visitationsbericht ist mit der Klassifikationstabelle zusammengebunden überliefert.

[17] CH-BAR#B0#1000/1483#3171#1, fol. 31-46 [PDF-S. 58-84], zit. fol. 42.